Lockdown Corona-Held

Das Auto war ein weisser Lieferwagen von Trans o Flex. Er bog gerade um die Ecke, als ich die Stufen zu meiner Wohnung hinaufgehen wollte. Dann schob er rückwärts in eine Einfahrt ein. Von der Situation ging eine Faszination aus, die für den banalen Vorgang absolut unangemessen schien. Irgend etwas stimmte nicht, an dem Bild. Als ich genauer hinsah, bemerkte ich einen jungen Mann am Steuer. Neben dem Paketzusteller, vielleicht Ende dreißig, ragten Plaste-Teile vom Beifahrersitz in die Höhe, die mir vertraut waren. In solchen Momenten braucht mein Gehirn manchmal ein wenig länger, um selbst Vertrautes zu erkennen. Das liegt daran, das das, was ich sehe, im Kontext des Umfeldes nicht zu der Geschichte passt, die einem das Auge gerade erzählt: Lieferwagen schiebt rückwärts in eine Einfahrt, um dort bei einem kurzen Halt Pakete auszuliefern. Auf dem Beifahrersitz ein Kindersitz mit einem Kleinkind und eine Babyschale mit einem Baby. Beide Kinder einen Schnuller im Mund. Diese beiden Schnuller sind es, die immer noch in meinem Gehirn liegen wie Tumore, die alles verderben, die mich schmerzhaft auf dass Krankhafte der Situation hinweisen, die beweisen, das alle schönen Worte nur falsch sind. Einparkender Lieferwagen - riesige Schnuller auf dem Beifahrersitz!

Der junge Mann ging seinem Job als Paketzusteller nach und hatte während seiner Arbeit auf dem Beifahrersitz ein kleines Kind und ein Baby zu betreuen. Und die hatten diese riesigen Schnuller im Mund.

Sowas macht man nicht mit fremden Kindern. Ich weiß das, weil ich auch Vater bin. Und weil es gerade ein Problem ist, keine Betreuung zu haben, wenn man arbeiten muss. Kindergarten und Großeltern sind behördlich verboten. Wie weit würde ich gehen, um meine Arbeit machen zu können? Welchen Preis würde ich zahlen um ein wenig Geld verdienen zu dürfen?

Was würden Sie Ihren Kindern zumuten, wenn Sie welche hätten, Herr Spahn?