Ist das Kunst, oder kann das weg?
Ich habe ja keine Ahnung von Kunst, aber was ist das?! Das soll Kunst sein?! Wer sagt das? Warum? Aus welchem Grund müssen wir das überhaupt wissen? Warum wollen wir trennen was uns als Kunst begegnet und was nicht? Oder sollte ich sagen, was uns als Kunst vorgesetzt wird?
Der Umgang mit Kunst ist uns nicht mehr geläufig. Wir verlassen uns bei der Bewertung nicht auf unser eigenes Empfinden. Vielleicht haben wir das auch nicht mehr, oder hatten es nie. Früher war das einfach. Kunst musste schön sein oder eine Geschichte erzählen oder unterhalten, oder ... - und dabei einen möglichst hohen handwerklichen Anspruch verkörpern. Kunst war es, wenn es eben nicht jeder konnte! Auch alltägliches konnte so Kunst werden, Kunsthandwerk eben. Das ist heute anders. Oft fragt man sich heute unwillkürlich, ob man das nicht selber auch hingekriegt hätte. Vielleicht sogar besser! Für viele ist also die Frage ob das Kunst ist, schlicht der Hilferuf nach Orientierung.
Orientierungshilfe
Wir wären nicht im 21. Jahrhundert, wenn wir dafür kein Angebot hätten. Die Orientierung kommt mit dem universellen Kompass dem globalen GPS unseres Lebens als braver Konsument: GELD! Ein Kriterium mit dem wir einfach alles bemessen. Heute ist es dann Kunst, wenn einer dafür bezahlt! Und weg kann es, wenn's nix bringt.
In Wikipedia kann man lesen, Kunst ist alles, was von Menschen durch einen kreativen Prozess entstanden ist und keinen praktischen Gebrauchswert für andere hat. In der Definition fallen Wörter wie „Intuition“, „Kreativität“, „Kultur“, aber auch „Wissen“, „Übung“ und „Wahrnehmung“. Der momentane Kunstbegriff schließt deshalb weite Felder des Schaffens ein, von Kunsthandwerk über Malerei, Bildhauerei bis hin zu Architektur. Können eigentlich auch an sich sehr praktische Dinge, die durchaus einen hohen Gebrauchswert haben, zusätzlich Kunst sein? Ist mein iPad auf dem ich gerade schreibe Kunst? Und wenn ja, warum hat es dann soviel gekostet?
Die Antwort auf die Frage: "Ist das Kunst oder kann das weg?" hat für viele unmittelbare Auswirkung auf das Bankkonto. Ich meine, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit an einer Wand im deutschen Normalhaushalt ein Bild zu finden, das deutlich mehr gekostet hat, als das neueste Handy? Genau! Mit dem Bild kann ich nicht nur nicht telefonieren, sondern auch sonst nichts anfangen. Es macht gar nichts! Wenn Freunde zu Besuch kommen schadet es vielleicht sogar! „Was ist denn mit Dir los, Müller? Machst Du jetzt auf Intelligent? - Sind wir Dir etwa nicht mehr gut genug?“
Es gibt Haushalte, in denen die Anwesenheit eines Bildes, eines teuren noch dazu, vom Besuch durchaus anders bewertet wird: „Ah, sieh an, Der Meyer! Versteht doch etwas! Und kann es sich leisten! Vielleicht doch einer von uns…“
Ist Kunst asozial?
Ob Müller oder Meyer innerhalb ihres sozialen Milieus trotz oder gerade wegen des Bildes Anerkennung finden, resultiert keineswegs daraus, das sie wissen, was sie auf dem Bild sehen oder das sie eine besonders eindrückliche emotionale Erfahrung machen, jedesmal wenn sie es anschauen. Die Anerkennung kommt einzig und allein aus der Tatsache, das das Bild Geld gekostet hat. Das Ansehen fällt oder sinkt, je nach Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe, proportional zum Preis. Und mit dem Preis einher geht auch ein Nutzen, den das Bild verkörpert. Jedenfalls für Meyer. Irgendwann mehrt das Bild vielleicht seinen Besitz, ab sofort in jedem Falle sein Ego. Das bild verkörpert einen Distinktionsgewinn. Je höher der Preis, um so größer das Ego! Wenn das kein Gebrauchswert ist! Ach so, dann ist es ja keine Kunst mehr, wenn es einen Gebrauchswert hat! Ein Kunstwerk ist also nur solange ein Kunstwerk, bis es in den Markt eintritt. Ab dann ist es ein gewöhnliches Produkt? Auch Quatsch!
Für Otto Normalverbraucher sieht die Sache ganz anders aus. Er kann sich keine Bilder leisten, die der Kunstmarkt dazu ausgewählt hat, ihre Besitzer zu bereichern. Diesen Nutzen hat er nicht. Sein Ansehen steigt ebenso wenig. Die Tatsache, dass Müller außer einem persönlichen Genuss oder einem sehr privaten Erlebnis keinerlei Verwertungsaussichten für seine Investition winken, lassen, wenn auch ohne Garantie, darauf schließen, das es sich um einen echten, wahrhaftigen und authentischen Kunstliebhaber handelt, der vielleicht sogar alles über Kunst weiß, sein Bild jedenfalls liebt. Nur eben leider völlig mittellos.
Was wäre, wenn es nur Müllers gäbe? Würden dann Sammler und Künstler gemeinsam immer ärmer und irgendwann das Sammeln und das Kunstschaffen einstellen müssen?
Geld für Nichts
Als Kunst kann man "Nichts" legal verkaufen!
Das wurde mir klar, als ich einen Vortrag von Harry Lybke an der Bauhaus-Uni in Weimar hörte. Der sagte damals sinngemäß, was Kunst ist, wisse er auch nicht so genau. Aber ob die Sachen Geld kosten oder nicht, darauf hat er enormen Einfluß. Wir sollten uns das ungefähr so vorstellen: Das ganze Spiel ist wie Billard. Die meisten versuchen unentwegt, die Kugel in das Loch zu treffen. Dafür üben und üben sie. Aber ob es gelingt, liegt am Ende nicht an deren Fähigkeiten, sondern an ihm, Harry Lybke. Er würde nämlich einfach den Billardtisch immer so ankippen, dass nur die Kugeln einlochen, von denen er das will. Galeristen machen die Kunst. Sind Galeristen also die wahren Kunstschaffenden?
Ganz sicher gibt es auch Galeristen und Sammler, die in wahrer Liebe zu Kunstwerken entflammen, die alles andere als mittellos sind, und die in echter Leidenschaft sammeln, weil sie nicht anders können. Aber laut Harry ist das nicht ihr Job! Das wäre sozusagen ein Hobby. Jedenfalls hörte sich das in Weimar bei dem Vortrag so an. Wenn Harry also regelmäßig Bilder an Sammler verkauft, die überhaupt noch nicht gemalt wurden, auf Warteliste, dann macht er seinen Job, er macht Kunst. Was er für Hobbys hat, darüber hat er nicht gesprochen. Vielleicht liebt und sammelt er auch Kunst. Es schließt sich ja nicht aus.
Kunst ist, was Menschen machen
Allen Versuchen Kunst zu definieren scheint eine Gemeinsamkeit zu Grunde zu liegen, das sie alle der Kunst genehmigen, was sie sonst niemals durchgehen lassen, nämlich absolut nutzlos zu sein. Damit meine ich nutzlos im Sinne eines irgendwie gearteten Gebrauchswertes. Ein Flaschenöffner zum Beispiel! Wenn er von WMF kommt ist es keine Kunst, wenn er von Picasso kommt ist er Kunst. Der Unterschied besteht also darin, wer es gemacht hat? Designer 1= WMF-Angestellter=keine Kunst - Designer2-Picasso=Kunst. Vielleicht ist auch der Öffner von Picasso keine Kunst, weil er ja Flaschen öffnet. Ganz praktischer Gebrauchswert. Egal. Hauptsache die Flasche ist auf.
Prost!